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Fragen zur Baugenehmigung der Wohnanlage am Favoritepark

(Zur Vorgeschichte lesen Sie bitte auch unsere Informationsbroschüre Nr. 6)

Im Februar 2016 begannen die Ausschachtungsarbeiten auf dem Gelände Holzwiesen direkt südlich des ehemaligen Waldbachs am Favoritepark. Als der Umfang der Arbeiten deutlich wurde, ohne daß der Ausschuß Bauen, Technik und Umwelt BTU des Gemeinderats über die Baugenehmigung wenigstens informiert worden wäre, forderte die Vorsitzende des BUND Ludwigsburg wegen der Auswirkungen auf den Favoritepark eine Kopie der Unterlage, was ihr „aus Datenschutzgründen“ vom Bürgerbüro Bauen verweigert wurde. Erst ein juristisch einwandfrei formulierter Antrag auf Informationszugang gemäß § 3 Umweltinformationsgesetz UIG hatte zur Folge, daß sie die Baugenehmigung als Kopie erhielt. Sie hätte gegen die Verweigerung nämlich klagen können.
Das Bauvorhaben besteht aus 8 zweistöckigen Gebäuden und dazugehörigen Nebenanlagen wie z.B. fünf (!) Parkplätzen. Die Genehmigung ist nicht für 5 oder 10 Jahre, sondern für 15 Jahre  erteilt  worden. Das Bauvorhaben befindet  sich nach Aussage der Stadtverwaltung im Außenbereich und wurde auf der Basis der Baugesetznovelle 2014 als begünstigtes Vorhaben nach § 35 Abs.4 BauGB genehmigt, weil es in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereiches liege. Eine Klarstellungssatzung, die den im Zusammenhang bebauten Ortsteil näher definieren würde, gibt es nicht. Das Bauvorhaben „Wohnanlage für Flüchtlinge“ und der künftig  laut Presseaussagen des Oberbürgermeisters Spec geplante Bau von weiteren Studentenwohnungen in der  Reute wurden schon jetzt als Verknüpfung von bebauten Flächen in die Genehmigung „integriert“. Die Baugesetzänderung von 2014 erweitert den Katalog der im Außenbereich begünstigt zulässigen Vorhaben um solche, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerbern dienen. Die befürchtete Entstehung einer Splittersiedlung oder die Veränderung der natürlichen Eigenart der Landschaft  sind nun bis 2019 keine Gründe mehr, den Bau von Flüchtlingsunterkünften im Außenbereich zu verweigern.

Voraussetzung für die Anwendung der Flüchtlingsunterbringungsnovelle 2014 ist der Zusammenhang mit einem bebauten Ortsteil. Der Bebauungszusammenhang setzt eine verbundene Bebauung voraus, die auch bei vorhandenen Baulücken den Eindruck der Aufeinanderfolge vermittelt. Dabei ist der Einzelfallbetrachtung viel Platz eingeräumt. Eine Straße kann zum Beispiel eine Grenze bilden, aber auch durch gleichmäßige beidseitige Bebauung den Zusammenhang herstellen und zum Eindruck der Geschlossenheit beitragen. Nun gibt es in Ludwigsburg kaum einen Stadtbereich mit Bauten aus den letzten 50 Jahren, der ein größeres Konglomerat bei der Bebauung aufweist als der Bereich zwischen Bahnlinie und Favoritepark. Fünfstöckige Betonkästen der Pädagogischen Hochschule liegen wie Bauklötze neben dem Naturschutzgebiet, daneben zeigen eine große Aschenbahn und eine Schwimmhalle, daß hier auch eine Sportakademie beheimatet ist. Direkt am Bahndamm hat ein bekannter Immobilienhändler 1998 einen LIDL-Markt und vor drei Jahren zwei sechs Stockwerke hohe Wohngebäude erbauen lassen. Zwischen Hochschul- und Mischgebiet liegt die 9 Meter breite Reuteallee. Unmittelbar neben den Neubauten für Flüchtlinge oder Studenten schlängelt sich der begrünte Rest des ehemals aus dem Favoritepark kommenden Waldbachs, heute ganz modern mit Dachflächenwasser der PH-Gebäude gespeist, in Richtung Westen, um verdolt viele hundert Meter weiter im Riedgraben zu verschwinden.

Freie Flächen ohne Bebauungsplan sind südlich der Fröbelstraße auch noch vorhanden, aber nicht mehr lange, wenn es nach den Wünschen des Ludwigsburger Oberbürgermeisters geht. Schließlich braucht Ludwigsburg neben 100.000 Einwohnern auch eine Willkommenskultur für Studenten, wie uns die von seinen Ideen begeisterte Presse mitteilt. „Diese jungen Menschen prägen das Bild unserer Stadt weit über die Markungsgrenzen hinaus.“ Alleen, begrünte Räume und barocke Stadtstrukturen sind im Vergleich dazu kalter Kaffee von gestern - Bauen um jeden Preis heißt die Devise des Jahres 2016. Folgekosten für die Stadtkasse? Ein Thema zum Gähnen! Teure Vergrößerung der betroffenen Schulen, Straßen und Kanäle? Langweilig! Verlorene Grünflächen? Wir sind doch keine Hasen!

Durch die Baumaßnahme in den Holzwiesen ist der Anteil der Freiflächen im Gebiet Ludwigsburg Nord (das Gelände zwischen Park und Bahnlinie gehört nicht mehr zu Eglosheim!) stark reduziert worden. Ob dort vor dem Bau der acht Holzgebäude ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vorhanden war, müßte wohl ein Richter entscheiden.

Vor Erlaß der Baugenehmigung für die Flüchtlingswohnanlage sind keinerlei Untersuchungen darüber gemacht worden, ob das FFH-Gebiet durch die neue Versiegelung beeinträchtigt wird. Im offiziellen Führer „Naturschutzgebiet Favoritepark“ werden fünf Tierarten beschrieben - Wechselkröte, Laubfrosch, Zauneidechse, Juchtenkäfer, Kammmolch -, die auf der Liste der auch im Rahmen der Europa-Richtlinie streng zu schützenden Tierarten stehen. In der Baugenehmigung vom 23. Oktober 2015 ist nur nachzulesen, daß „vor und während des Baus Schutzmaßnahmen für besonders geschützte Amphibien zu ergreifen sind“.

Weil die Gefahr besteht, daß die Vorkommen dieser Arten für immer verloren gehen, dürfen ihre Lebensräume nicht beschädigt oder zerstört werden. Dieser Artenschutz gilt nicht nur in einem Natura 2000-Gebiet, sondern auch außerhalb, auch wenn es sich nicht um ein Schutzgebiet handelt wie zum Beispiel die Holzwiesen neben dem ehemaligen Waldbach.